Samuel Hahnemann, Begründer der Homöopathie, als Freimaurer |
Das Leben des
Arztes und Forschers Dr. Christian Friedrich Samuel Hahnemann
(1755-1843), der am 10. April 1755 als drittes Kind eines
Porzellanmalers in Meißen geboren wurde, war durch eine Rastlosigkeit
und Unruhe gekennzeichnet, für die das berüchtigte Erdbeben von
Lissabon im Jahr seiner Geburt fast symbolischen Charakter besitzt. Das
Erdbeben erschütterte die Welt der Aufklärung des 18. Jahrhunderts,
eine Zeit, die medizinisch gesehen noch von Schröpfen und Aderlass geprägt
war. Nach Privatunterricht durch den Vater und einem Stipendium an der Fürstenschule
St. Afra, wo er eine vielseitige humanistische Ausbildung erhielt,
begann Hahnemann sein Medizinstudium 1775 in Leipzig. Als Student
verdiente er sich seinen Lebensunterhalt durch Sprachunterricht und Übersetzung
medizinischer Literatur. Praktische Studienmöglichkeiten zogen ihn 1777
nach Wien, das er aus Geldmangel wenig später wieder verlassen musste.
Hahnemann folgte dem neu berufenen Österreichischen Statthalter in
Siebenbürgen, Freiherr Samuel von Brukenthal, der ihn zu seinem
Leibarzt und Bibliothekar bestellte und nach Hermannstadt mitnahm. Der
Baron war ein vielseitig interessierter, belesener und geselliger Jurist
und er war Freimaurer – allerdings anscheinend nicht in der Hermannstädter
Loge „Sankt Andreas zu den drei Seeblättern“, in die der 22jährige
Hahnemann bereits am 16. Oktober 1777 aufgenommen wurde. Die beiden
Samuels verstanden sich von Anfang an und hatten auch – obwohl beide Männer
evangelisch waren – einen Hang zum Deismus mit seiner „natürlichen
Gottesvorstellung“. 1779 verließ
Samuel Hahnemann seinen väterlichen Freund, um sein Studium in Erlangen
zu beenden. Hier traf er mit den Professoren Jakob Friedrich Isenflam
und Johann Daniel Schreber wieder auf Förderer aus der freimaurerischen
Szene. In seiner Dissertation erwähnte Hahnemann erstmals den Wiener
Arzt Anton Mesmer, der mit seinem „animalischen Magnetismus“ Weltrum
erlangte. Hahnemann stand den Ideen Mesmers, der Freimaurer war,
zeitlebens aufgeschlossen gegenüber. Mit seinem Doktortitel in der
Tasche versuchte sich Hahnemann in den Jahren bis 1805 in nicht weniger
als 24 Städten Norddeutschlands ziemlich erfolglos als Arzt, heiratete
1782 Henriette Küchler und lebte vor allem durch seine Übersetzungen
medizinischer Bücher, die ihm eine gewisse Bekanntheit in der Fachwelt
brachten. Bei der Übersetzung der „materia medica“ des schottischen
Pharmakologen William Cullen kam er bei einem Selbstversuch mit
Chinarinde auf das berühmte „Ähnlichkeitsgesetz“ (similia
similibus curentur). Damit gilt das Jahr 1796 als die Geburtsstunde der
Homöopathie, obwohl das Ähnlichkeitsprinzip bereits in der
altchinesischen Heilkunde, bei den hellenistischen Ärzten Hippokrates
und Doiskurides sowie schließlich bei Paracelsus als Heilungsprinzip
galt. Von seinem Forschergeist besessen, experimentierte Hahnemann in
den folgenden Jahren mit Verdünnungen seiner Arzneien -
„Potenzierung“ wie er es nannte -, wobei er an seinen Patienten
feststellte, dass das Mittel um so wirksamer schien, je höher die Verdünnung
war. In den 1820er Jahren erreichte er mit der C30-Potenzierung eine
Arzneiverdünnung, die der (erst 1867 entdeckten) Loschmidtschen Zahl
entsprach, was bedeutete, dass das Mittel nachweislich kein Molekül des
Ausgangsstoffes mehr enthielt. Dass gerade diese Potenzen hoch wirksam
sind, lässt sich heute mit der Quantenphysik belegen: Es wirkt die
Schwingung des Arzneimittels auf die gleiche Schwingung des kranken
Menschen nach dem Resonanzprinzip. Doch zu Hahnemanns
Zeit musste die Homöopathie auf Unverständnis stoßen. Nach Veröffentlichung
seines „Organon“ 1810 brachte eine Professur an der Universität
Leipzig ein Jahr später einen vorläufigen Höhepunkt in der Laufbahn
des Mediziners und gleichzeitig einen Ruhepunkt im Leben der Familie
Hahnemann, denn er blieb bis zum Jahre 1820 an der Universität. Wenn
Hahnemann anfangs nur selten über die neue Homöopathie referierte, änderte
sich das im Laufe der Jahre gewaltig, und die geballte Gegnerschaft der
„Schulmediziner“ und Apotheker führte zu einer Klage gegen
Hahnemann, die den bereits weltweit berühmten Entdecker der Homöopathie
zur Flucht aus Leipzig bewog. Im Jahr 1817 trat Hahnemann der Leipziger
Loge „Minerva zu den drei Palmen“ bei und blieb aktives Mitglied bis
zur Abreise aus Leipzig. Das mag ihm auch den Kontakt zu seinem
Arztkollegen und Freimaurer-Bruder Dr. Billig in Altenburg ermöglicht
haben, der Hahnemann wohl im Jahr 1821 eine Zulassung als Arzt in Köthen
über Herzog Ferdinand von Anhalt-Köthen vermittelte. Damit verbunden
war das Recht zur Eigendispensierung, also Herstellung und Verabreichung
eigener Medikamente, was man Hahnemann in Leipzig verweigert hatte. Der
Herzog war Ehrenmitglied der Loge „Zur Säule“ in Breslau. Auch ein
anderer Schulmediziner unterstützte Hahnemann zeitlebens, obwohl er
fachlich oft gegenteiliger Meinung war: Professor Christoph Wilhelm
Hufeland (1762-1836), schon zu Lebzeiten ein berühmter Arzt,
Autor medizinischer Bücher und Herausgeber einer
Fachzeitschrift, in der Hahnemann mehrfach veröffentlichen durfte.
Hufeland war Mitglied der Göttinger Loge „Augusta zu den drei
Flammen“ und ein Intimus Friedrich Ludwig Schröders (1744-1816), der
ihn über die wesentlichen rituellen Reformvorhaben informierte, bevor
er mit ihnen an die (freimaurerische) Öffentlichkeit ging. Daneben förderte
der Schriftsteller und Verleger Rudolf Zacharias Becker (1752-1822),
Herausgeber des viel gelesenen „Allgemeinen Reichsanzeigers“ die
Hahnemannschen Forschungen durch zahlreiche Veröffentlichungen in
seinem Blatt. Becker war führendes Mitglied der Loge „Zum Kompaß“
in Gotha. Nach dem Tod seiner
Frau verliebte sich der 80jährige Hahnemann in die 35jährige Homöopathie-Schülerin
Melanie d’Hervilly aus Paris, die seine Liebe erwiderte, so dass es
1835 in Köthen zur Hochzeit kam. Die beiden siedelten nach Paris über,
wo die Hahnemanns bald eine gut gehende Homöopathiepraxis betrieben,
die von der vornehmen Gesellschaft der Seinestadt (u.a. gehörte
Paganini zu seinen Patienten) frequentiert wurde und zu der Bewunderer
aus aller Welt pilgerten. Auch nach seinem Tod – Hahnemann starb mit
88 Jahren in Paris – blieb er mit der Freimaurerei verbunden: Der berühmte
Bildhauer Davin d’Angers (1788-1856) schuf eine Büste des Homöopathen
für seine Grabstätte auf dem Pariser Friedhof Père-Lachaise und unter
dem amerikanischen Präsidenten William Mac Kinley wurde in Washington
D.C. am 21. Juni 1900 ein großartiges Denkmal für Hahnemann
eingeweiht, eine besondere Ehre für einen Nicht-Amerikaner. Literatur: (Bild: Thieme Verlag, Stuttgart/D) |